Foto: Ayşe Yavaş

Der Literaturwissenschaftler Usama Al Shahmani arbeitet als Assistent an der Universität in Bagdad und schreibt an seiner Doktorarbeit, als er 2002 sein Geburtsland verlassen muss. Weil er ein regimekritisches Theaterstück geschrieben hat, gerät er in den Fokus der Geheimpolizei des irakischen Machthabers Saddam Hussein. Eher zufällig landet er in der Schweiz. Dort lebt er fast zwei Jahre lang in Flüchtlingsunterkünften: Er hat wenig Geld, keinen Job und kaum Kontakte zur Außenwelt. Da ihn Sprache schon als Kind begeistert hat, bringt er sich selbst Deutsch bei.

„Die Sprache während der Diktatur und während der Fluchtgeschichte war, ist und bleibt für mich wie ein Raum, in dem ich wirklich Schutz finde, Zuflucht, Zugehörigkeit. Während der Diktatur war die Sprache ein Trost. Auch die Literatur der neuen Welt, die neue Atmosphäre – dass man durch Sprache ein neues Fenster öffnen kann.“

Die Fremde als Lehrmeister

Durch das Leben in der Fremde habe er viel gelernt: „Nicht nur die Sprache, die Menschen oder die Kultur; sondern ich habe auch mich neu entdeckt.“ Und so trägt eines seiner Bücher den Titel „Die Fremde – Ein seltsamer Lehrmeister.“ In der Schweiz muss er erfahren, dass sein jüngerer Bruder Ali im Irak verschwindet; die Familie versucht alles, um ihn wiederzufinden. Er bleibt vermisst, wie Hunderttausende. Seine Trauer und Hilflosigkeit verarbeitet Usama Al Shahmani in seinem zweiten Roman, der 2018 erschienen ist: „In der Fremde sprechen die Bäume arabisch“. Er wollte damit den Bruder aus dem Schatten der Gewalt herausholen, erzählt Usama Al Shahmani: „Ich habe einfach ein Buch, einen Roman geschaffen, in dem Ali weiterlebt. Die Seele bleibt, von diesem Land, von dieser Person, von diesen Personen, die verschwunden sind. Sie leben weiter.“

„Heimat ist kein Ort, es ist ein Gefühl“

In der stark autobiografischen Geschichte schildert er zudem den Spagat zwischen einer Vergangenheit, die einen nicht loslässt, und der Fremde, in der man nur schwer seinen Platz findet. In der Schweiz hätten ihm vor allem gute Freunde geholfen, in der neuen Welt anzukommen, resümiert Al Shahmani. Auch seine Frau, seine Kinder. „Menschen brauchen Menschen.“ Deshalb engagiert er sich nun auch in der Flüchtlingshilfe: „Für mich ist dies keine politische Frage; es ist eine menschliche Frage“, betont er. Er versuche, eine Brücke für die Menschen zu sein, die in der Fremde eine neue Heimat suchen – so wie er ehemals. Denn: „Heimat ist kein Ort, es ist ein Gefühl.“

„Im fallen lernt die Feder fliegen“ von Usama Al Shahmani besprechen wir an unserem nächsten Literaturclub-Abend.

Gespräch mit Usama Al Shahmani, Moderation: Britta Bürger

Quelle: www.deutschlandfunk.de